Presse
zur Ausstellung STILLGEWÄSSER im Leonhardi-Museum Dresden


Eine klassische Schönheit ist er nicht, der kleine Löschteich zwischen Bäumen und Büschen hinter Thomas Matauscheks Atelier. Er ist noch nicht einmal besonders interessant oder auffällig, niemand schenkt ihm Beachtung – außer dem Maler. Immer wieder macht er das profane Wasserbecken aus verschiedenen Perspektiven und in unterschiedlichen Ausschnitten zu seinem Bildgegenstand. Mal mit leuchtenden Farben im Sommer, dann wieder grau und nasskalt im Herbst, erstarrt in Schnee und Eis im Winter, unterm farblosen Licht des Vorfrühlings, das noch nicht wärmt.
Matauschek untersucht das Stillgewässer akribisch von allen erdenklichen Seiten und in allen denkbaren Zuständen. Doch der analysierende, nüchterne Blick eines Wissenschaftlers mischt sich hier mit einer beinahe romantischen Strategie: Der genaue, immer und immer wiederholte Blick auf einen funktionalen gemauerten Überlauf offenbart nach und nach dessen ganz eigene Schönheit. Der Künstler verzaubert eine rational-technisch entzauberte Welt erneut, indem er den unscheinbaren
Dingen ihre ganz eigene Würde verleiht. Mit diesem Interesse an sonst unbeachteten Dingen bewegt sich Matauschek in einer künstlerischen Tradition, die schon in der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts oder den Bildern des Dresdner Malers Christian Friedrich Gille im frühen 19. Jahrhundert ein Gegenmodell zu den »bedeutenden« Sujets und Gattungen der Malerei bildete. Der Publizist Johann Heinrich Merck schrieb in seinen Betrachtungen über Landschaftsmalerei darüber schon 1771:
»… wird aber ein Gegenstand, und auch der dürftigste, oft und lange besucht, von allen Entfernungen und Augpunkten betrachtet, zu allen Tag- und Jahreszeiten umgangen, so merkt man bald, was an ihm abstrakt und was zufällig ist. […] Alle Geheimnisse und feste Gesetze der Natur werden enthüllt, und man lernt alsdann beleuchten wie sie, Mannigfaltigkeit und Magie über schon tausendmal gesehene Dinge verbreiten und dadurch den Ekel des Einförmigen vermeiden. Außerdem welche Einsichten in die Grenzen der Kunst, von dem, was darzustellen und nicht darzustellen ist, wenn man hartnäckig bei einem Gegenstand ausharrt!«
LEONHARDI-MUSEUM DRESDEN
Pressetext zur Ausstellung STILLGEWÄSSER | 11. März–5. Juni 2017

Die Beschränkung auf ein einziges Motiv und dazu noch auf ein so unspektakuläres wirft die Frage auf, warum der Maler diese Reihe von meditativen, immer kompositionell gleichen Motiven bevorzugt. In der Darstellung eines banalen Kubus, der, den Unbilden der Natur ausgesetzt, vom Licht unterschiedlich beleuchtet wird, konfrontiert er die ihn umgebenden, stillen oder leicht bwegten Wasser, in dem sich 2 Linden spiegeln. Auch die warmen Nuancen (ein Stück bröckelnde Ziegelmauer scheint auf), die sich in kühleren Farbtönen (darunter immer wieder eine ganze Palette von Grün) abheben, machen den Reiz dieser Bilder aus …
… Der landschaftliche Ausschnitt des Motivs in seiner Nahsicht wirkt wie ein leicht abstrahiertes Stillleben, das eine große Versunkenheit, stoische Gefasstheit und Ruhe abstrahlt.
Heinz Weißflog
»Poesie der Sachlichkeit«
SAX – Das Dresdner Stadtmagazin

Serie »Überlauf«, von Matauschek dünn auf ungrundierter Leinwand gemalt, nimmt ihrem Gegenstand dagegen nicht allein etwas Schwere, sondern zuweilen auch die provokante Räumlichkeit in flacher Umgebung. Anders gesagt: In Serie darf der Betrachter hier nicht bloß verschiedene Sichten auf einen Gegenstand, sondern verschiedene Effekte der Malerei genießen. Das wie eine ins Spiegelbild gewalzte Bahn sich streng, aber hauchzart fortsetzende Grau des Kastens. Den Baumschatten, vermeintlich unterm Eis. Das schwimmende, fast giftig stechende Grün der Wasserlinsen. Dazu scheinbare Symmetrien, Bildteilungen und Feldersprünge – dem Gesehenen tritt eine kaum mitteilbare Erfahrung hinzu. Zum Beispiel die das krachgrüne Wasser komplett überblendenden Flächen Weiß, über deren Urbild man fantasieren kann. Die Gemälde wirken abwechselnd trocken, nass, fest, flüssig, verklärt, präzis, durchsichtig, versperrt. Dass diese verblüffend reiche Serie jetzt das Schwergewicht der Ausstellung liefert, ist deshalb gut und richtig.
Uwe Salzbrenner
»Wasserstände in Öl«
Sächsische Zeitung

… Er analysiert den Gegenstand, indem er ihn auf Blatt oder Leinwand in Grundformen zerlegt. Das ist keine geometrische Stilisierung, denn alle Symmetrien und Geraden werden hier irgendwie gebrochen. Zugleich haben wir es mit einer Farbfeldmalerei zu tun, deren Bildformate nie riesig und deren Farbflächen kaum homogen sind, so dass sie bei aller Abstraktion dennoch die Illusion von Wassertiefe oder Horizontlinie geben …
… Was zunächst eintönig erscheinen mag, erfährt Wiederholung und Abwandlung, Zerlegung und Neukombination erst Leben, Präzision zuweilen sogar Monumentalität. Jedes Bild für sich genommen ist eine Tiefenbohrung an den Rändern des vermeintlich Banalen. Als Serie spricht aus den Bildern farbliche und formale Kühnheit angesichts der Gleichzeitigkeit von Banalität und Schönheit der uns umgebenden Welt.
Teresa Ende
»Von der Kühnheit im Banalen«
Dresdner Neueste Nachrichten