Eröffnungsrede von Dr. Holger Birkholz
Auszüge


… Auch wenn man versucht ist, von einer Einfachheit bei seinen Bildern zu reden, so muss man während man ein solches Wort ausspricht zugleich bemerken, dass das nur in einer Hinsicht stimmt. Die Definition dessen, was man hier »einfach« nennen kann, hängt von den Kategorien ab, vom Standpunkt dessen, der sie anwendet. Es sind zugegebenermaßen schlichte Motive, aber das, was der Künstler aus diesen Motiven macht, hat einen zum Teil atemberaubenden Reichtum. Um den zu erkennen oder gar zu würdigen, muss man sich auf die Ebene s e i n e s staunenden Betrachtens einlassen …

… In der Chromatik von Thomas Matauschek sind die einzelnen Töne sorgfältig aufeinander abgestimmt. Dabei unterscheiden sich die beiden hier ausgestellten Serien in ihrer Wirkung. Die Bilder der Folge »Stillgewässer« sind deutlich kontrastreicher, setzen mehr auf leuchtende Farben. Demgegenüber sind die »Überläufe« oft von einem Grauton dominiert. Obwohl dieser zunächst schlicht erscheint, ist er alles andere als das. Er entsteht durch das Zusammenspiel von Farben, die im Detail wirken und erst miteinander diesen zurückhaltenden Gesamtklang ergeben. Einzelne Töne bekommen darin zum Teil einen Auftritt als Solisten. Das sind Farben, die bei manchen gar als kapriziös gelten, da ihr Erscheinen gern mal eine Gemäldekomposition aus dem Gleichgewicht bringen kann. Thomas Matauschek scheut vor Violett, Rosa oder Grün nicht zurück. Ihm gelingt es, diese Töne in ihrem widerspenstigen Eigenleben in sein Bildgeflecht einzubauen. Indem er ihnen eine Zurückhaltung auferlegt, sie auf kleine Flächen beschränkt, sie in ihren Umrissen gezielt bändigt oder auf eine Funktion als komplementäre Schatten beschränkt, weist er ihnen eine Stellung zu, in der sie subtil wirken. Manchmal streut er sie aber auch als eine Horde von Flecken, die wie Punkte
über gedeckteren Farben stehen, über das Bild. ¬

… Die Reduktion der körperlichen Erscheinung, wie sie hier vorgeführt wird, ist ein grundlegendes plastisches Prinzip der Moderne. Ihre realistische Abbildung jedoch ist eher vormodern. So entsteht ein Zwiespalt. Es ist eine Art ironisches Spiel. Man könnte auch sagen Matauschek schlägt die Moderne mit ihren eigenen Mitteln, weil sich beide Kunstauffassungen in ihrer Begegnung, ja Vereinigung relativieren …

… Das prosaische Staubecken und der Folienteich erlangen eine vergleichbare Funktion wie ein prächtiger Landschaftspark, als dessen Erben sie sich erweisen. Im Anschauen der Bilder eröffnen sich Raum und Zeit, die aus dem unaufhaltsamen Treiben trivialer Alltäglichkeit herausführen. So wird die aktive Seite der Kontemplation sichtbar. Eine solche Malerei entscheidet potentiell über eine Veränderung in unserer Haltung den Dingen gegenüber. Dadurch wird es möglich, in der Kunst Zeit zu gestalten.

»Übungen um die Zeit aufzuhalten«
Eröffnungsrede von Dr. Holger Birkholz
Zur Ausstellung »Stillgewässer«
10. März 2017, Leonhardi-Museum